«Lieber Trychler, liebe Trychlerin, …»

das Getöse der Kuhglocken ist zu deinem Markenzeichen geworden. Die geballte Faust ist Zeichen deiner Kampfbereitschaft. Die Armbrust Zeichen deines Widerstandes. Der Gesslerhut steht für den Aufstand gegen die Diktatur. Der ausgestreckte Zeigfinger ist dir Zeichen der Staatsmacht. Du verstehst die Macht der Symbolik! Starke Symbole setzen starke Emotionen frei. Mit Fake News, Verschwörungsideologien, mit haarsträubenden Argumenten berichtest du über das Ende der Demokratie. Lieber Trychler, liebe Trychlerin – du machst mir Angst. Du machst mir Angst, weil du mich mit deinem Getöse zum Schweigen bringen willst.

Der Lärm deiner Kuhglocken erinnert mich an ein Land, wo ich ein paar Jahre leben durfte. Dort waren es die Sirenen der Polizei, die mich anfangs verängstigten. Später machten sie mich wütend. Auch sie verursachten tosenden Lärm, wenn sie den Sicherheitstross der Mächtigen von A nach B begleiteten. Mächtige, die alle Strassen aus dem Nichts sperrten und uns Fussvolk zum Ausharren verdonnerten, bis der Spuk vorbei war. Auch diese Kräfte benutzten den Lärm der Sirenen als Symbol der Macht. Später setzten sie das Ausgehverbot mit Schlagstöcken durch.

Du Trychler, Trychlerin wirst am 28. November an die Urne gehen. Du wirst deine Freundinnen und Freunde mobilisieren, es dir gleich zu tun. Da habe ich keine Zweifel. Es ist dein gutes Recht. Aber in deinem Lärm könnte dir etwas Wichtiges entgehen: Es gibt in diesem Land auch viele Menschen, die wie ich glauben, dass Kuhglocken auf die Alpweiden gehören. Dass Gesslers Hut und auch die Armbrust Mythen sind. Vor allem aber: dass gute Argumente nicht laut sein müssen, um gehört zu werden. Ich meine, wir Leisen und vielleicht auch ein wenig Verunsicherten laufen Gefahr, der Urne fernzubleiben, weil wir müde sind.

Müde von eurem Getöse, müde von der aufgeladenen Stimmung, müde von dem lähmenden Schwarzweissdenken. Müde auch von all den Verleumdungen. Das ist eure Chance. Darum raffe ich mich auf und gehe doch an die Urne. Damit ihr es so vielleicht versteht: Ihr macht den lauteren Lärm. Aber ihr trychelt nicht in meinem Namen.

Waldemar Krupski