Ein Gespräch mit Waldemar Krupski, Vollzeitvater, Hausmann und Begleitperson
Wie verliefen Ihre ersten Monate als Vollzeitvater?
Die ersten Monate als Vollzeitvater waren - obwohl ich seit der Geburt meines ersten Kindes Teilzeit gearbeitet hatte - schwierig. Ich erinnere mich nur zu gut, wie gerne ich mit Marion die Rolle getauscht hätte. Mir wäre es leicht gefallen, frühmorgens Familie und Hotelzimmer zu verlassen, um abends wieder „nach Hause zu kommen“. Für sie aber war es schwer, sich von den Kindern zu verabschieden, besonders von Janina, die damals gerade mal 4 Monate alt war. Abends, als Marion nach Hause kam, war ich oft frustriert, ausgelaugt, wollte nur noch „abgeben“ und Zeit für mich in Anspruch nehmen. Fragen quälten mich: Was mache ich eigentlich den ganzen Tag? Mit wem kann ich reden? Wer sucht den Kontakt zu mir? Und ich stellte fest: Mich ruft niemand mehr an und keiner fragt mich um Rat. Ich erhalte keine Lohnabrechnung mehr. Zum Mittagessen lädt mich niemand mehr ein. Bin ich so uninteressant geworden? Warum fühle ich mich einsam? Wie schaffen das all die Mütter, ohne (hörbar) zu klagen und sich zu beschweren? Das alles hat an meinem Selbstwertgefühl gekratzt und Anlass zur Eifersucht gegeben. Eifersucht ist unschön und wenig partnerschaftlich. Dem Gegenüber auch nicht ganz einfach zu erklären.
Was ist geblieben, was hat sich seit der Anfangszeit verändert?
Heute stehe ich an einem andern Punkt, auch wenn die „Sisyphusarbeit“ bestehen bleibt: Kinder füttern, Kinder wickeln, Kindern hinterher- putzen, Waschtag, Putztag, Spaghettitag, Fischtag. Das ist manchmal zermürbend. Manchmal mache ich mir gar Sorgen, den Anschluss nie mehr zu kriegen, zu verblöden. Was sich aber verändert hat, ist meine Grundeinstellung. Ich habe akzeptiert, dass ich die nächsten Jahre Vollzeitvater sein werde. Mehr noch, eine Bewusstseinsveränderung hat stattgefunden. Ich lerne, mich nicht mehr so wichtig zu nehmen, auch mal nur die Nummer zwei zu sein. Mann kriegt nicht alles unter eine Decke, es gibt Abstriche, auch solche, die weh tun. Zum Beispiel von der Gesellschaft kaum mehr wahrgenommen zu werden. Mann wird reduziert auf Hausmann und Begleitperson. Und doch, ich bin heute glücklicher, zufriedener, ausgeglichener als in den kinderlosen Jahren.
Haben Sie Ihren Schritt jemals bereut?
Nein, richtig bereut nicht. Auch wenn die Beschreibung der ersten Monate einen anderen Eindruck erwecken mag. Übers Ganze gesehen lebe ich privilegiert. Die Erfahrungen, die ich als Vollzeitvater machen kann, bleiben vielen Vätern verwehrt. Ich darf die rasante Entwicklung meiner beiden Kinder miterleben. Die ersten Schritte von Janina, die ersten englischen Worte von Kasimir, sein erster Sturz von der Leiter auf dem Spielplatz. Das prägt, das formt Beziehungen. Ist einzigartig, nicht nachholbar. Das Bild vom grossen Bruder, der auf dem Weg in den Kindergarten seine kleine Schwester erstmals an der Hand führt. Das sind unglaublich starke Momente, die mich als Vater zigmal entschädigen. Momente, die mich mit sehr viel Stolz erfüllen. Natürlich kann ich das Erlebte abends meiner Frau erzählen. Sie wird es in den nächsten Tagen auch beobachten können. Der Moment liegt aber zurück, liegt in der Vergangenheit, ist eben unwiderruflich, passé! Nein, heute würde ich nicht mehr sofort mit Marion tauschen.
Wie reagieren andere Väter auf Sie? Herrscht „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“?
Die Reaktionen sind unterschiedlich. Sie gehen von Null-Reaktion, im Sinne von geht mich nichts an, interessiert mich nicht, bis zur ehrlich gemeinten, echten Wertschätzung meiner Arbeit. Oft sagen die Männer, genau so ehrlich, genau so spontan: „Das könnte ich nie, ich würde das nicht schaffen. Ich bin jeweils heilfroh, kann ich wieder arbeiten gehen.“ Vielleicht sagen das auch die Teilzeit arbeitenden Väter. Mich freut es, dass sie auch im EDA - wenn auch nicht zahlreich - vertreten sind. Für mich sind sie Vorbilder und Lichtblicke zugleich. Ihnen gehört mein Respekt. Sie wissen, was es bedeutet, zurückzustehen, zu verzichten, oft grosse Kompromisse einzugehen. Auch auf unnötige Hindernisse zu stossen. Sie wissen, dass sich das Vater sein nicht delegieren lässt. Mühe habe ich mit den Männern und Vätern, die mir sagen, dass sie gerne mit mir tauschen würden (von berufstätigen Müttern höre ich das nie). Ich habe den Eindruck, dass sie zum Idealisieren neigen, wenig Ahnung davon haben, was sie eben gesagt haben. Sie haben ihre Prioritäten gesetzt, für den Job. Es sind „Lippenbekenner“, oder, wie Sie es ausdrücken, „verbal Aufgeschlossene bei weitgehender Verhaltens- starre“. Kommen sie nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause, nehmen sie ihre Kinder am liebsten gefüttert, frisch gewickelt und fein duftend in die Arme, um anschliessend mit ihnen noch ein paar Klötzlein aufeinander zu stellen und ein Gute-Nacht-Lied zu singen. Solche Sonntagsväter haben wenig Ahnung davon, wie es sich anfühlt, sieben Tage die Woche für die Kinder und den Haushalt da zu sein. Für sie ist es schwer nachzuvollziehen, was für ihre Frauen bei den doch so herzigen Kindern so frustrierend sein kann.
Wer weiss, eines Tages vielleicht - lassen sie mich kurz träumen -, wirken sich erworbene Erfahrungen als „stay at home daddy“ karrierefördernd aus, so, wie sich früher Abwesenheiten für die militärische Karriere auch im Beruf auszahlten. Der Titel des Interviews würde dann wohl heissen: Buben haben Väter, Mädchen auch!
Die Fragen stellte: BEL
Zur Person
Waldemar Krupski ist im Kanton Uri aufgewachsen und absolvierte dort auch die Lehre als Elektromonteur. Anschliessend war er fünf Jahre als Seilbahntechniker auf Montage. Mit 25 Jahren zog es das „Urner Land-ei“ (Zitat) in die Stadt Zürich, wo er erst als Computer-Techniker eine Stelle fand, dann aber die höhere Berufsprüfung und anschliessend die Meisterschule in seinem angestammten Beruf machte. Mit 34 Jahren entschloss er sich zur berufsbegleitenden Ausbildung als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge an der Fachhochschule Zürich. Bis zur Versetzung seiner Frau arbeitete er Teilzeit bei der Sozial- und Personalberatung der Bundesverwaltung in Bern.
Seit einem Jahr lebt Waldemar Krupski mit seinen zwei Kindern Kasimir, bald 3-jährig, und Janina, 16 Monate alt, und seiner Frau Marion Weichelt in Washington DC. Er ist Vollzeitvater, Hausmann und „Begleitperson“.