Bitte um Hilfe

Wakr Kolumne Dezember 2019.png

«Boot mit Migranten vor der Küste Mauretaniens gesunken, mindesten 57 Migranten ertrunken.» Das lese ich in der NZZ vom 5. Dezember 2019. Es ist nur eine Randnotiz. Einen Tag vor diesem Unglück erreichte mich folgende eMail - für die Übersetzung habe ich das Programm Deepel.com gewählt. Ich meine, es trifft die gewählte Sprache recht gut:

Bonjour Monsieur Waldemar

Das Thema meines heutigen Briefes betrifft meine aktuelle Situation. In einer prekären beruflichen Situation kann ich nicht über die Runden kommen. Mit meiner Frau und meinen Kindern tue ich mein Bestes, um dorthin zu gelangen, während ich an Sie schreibe ich bin ohne Arbeit und ohne Geld.
Aber hier im Senegal kann ich trotz all der Bemühungen, die Sie unternehmen, um mein Ziel zu erreichen, kein Berufsleben als Elektriker finden.
Ich denke daran, das Land zu verlassen, um mein Glück in Europa zu versuchen.
Deshalb möchte ich Sie um Ihre Hilfe bitten, um meine Situation zu ändern. In Erwartung einer möglichen Antwort von Ihnen, erhalten Sie bitte meine herzlichsten Grüße.

«Nein Moustapha, mach nur das nicht», ist mein erster Gedanke. «Es wird auf die eine oder andere Weise dein Untergang sein.» Die verzweifelte Drohung in seiner eMail steht stellvertretend für die fatale Entscheidung, die zigtausend Senegalesen treffen, wenn sie beschliessen, ihr Glück in Europa zu suchen. Ist die Reise einmal begonnen, hat Moustapha nichts mehr zu verlieren. Auch nicht sein Leben. Zu gross ist die Schande, mit leeren Händen zurück zu kommen. Schliesslich hat die ganze Verwandtschaft ein paar Batzen dazu beigesteuert, in der Überzeugung, dass es ihnen allen bald besser gehen wird. Migranten von hier, legal wie auch illegal ausgewanderten, ist gemeinsam, dass sie hier im Senegal dem unteren «Mittelstand» angehören. Einer Minderheit, welche die Grundschule besuchten, lesen, schreiben und rechnen können. Die Hälfte der Bevölkerung kann das nicht!  Kennengelernt habe ich Moustapha vor knapp zwei Jahren. Er wurde mir als Elektriker empfohlen. In unserem Haus installierten wir gemeinsam unter anderem eine «Sicherheitsanlage» mit vier Kameras, einem Bullauge, Schockbeleuchtung und Alarmhorn. Dass die Kameras und das Bullauge Atrappen sind, ist ein gut gehütetes Geheimnis von Moustapha und mir. Selbst Hauswart Tanor, der Vater von Mohammed Waldemar, weiss nichts von den vorgetäuschten Kameras und putzt die Linsen zuverlässig regelmässig.  Als ein Freund von mir im Süden Senegals, in der Casamance, ein Haus baute, nahm Moustapha das Arbeitsangebot dankbar an. Er war noch nie auf einem Schiff, war noch nie gereist und dementsprechend nervös vor der langen Schiffahrt in die abgelegene Region. 3 Monate später kam er stolz und glücklich zurück. In der Hoffnung, dass es hier irgendwie weitergehen würde. Es ging weiter, wenn auch zaghaft. Auch dank einem Flyer, welchen wir unter die Leute brachten. Den gleichen Flyer habe ich, als Reaktion auf Moustaphas eMail am gleichen Tag an Botschaften, NGO, Freunden und Bekannten gesendet. Über 250 Empfänger kamen so zusammen.

Gestern Abend die erste kleine Erfolgsmeldung: Moustapha hat einen ersten Auftrag erhalten. Er freut sich, bedankt sich beim Allmächtigen und mir, dass sein Wunsch in Erfüllung ging. Und ich freue mich, dass ich vielleicht ein kleines Stück dazu beitragen konnte, dass er sich in der Not nicht entscheidet, eine schlimme Dummheit zu begehen, die ihn auf die eine oder andere Art sein Leben kosten kann.

Ich wünsche eine glückliche, besinnliche Adventszeit

Waldemar Krupski

23. Hilfe.png